Grüne Servietten auf einem blauen Tischtuch.

Das Buch

Karin Wahlberg, „Ein plötzlicher Tod“, München 2004. Eine Rezension.

Es gibt Krimis, die erzeugen Spannung durch eine aufregende Handlung. Manche faszinieren durch ihre Sprache oder durch besonders lebensnah geschilderte Personen. Und dann gibt es eine Sorte Kriminalromane, die man meiner Ansicht nach mit Warnhinweisen versehen sollte. „Ein plötzlicher Tod“ von Karin Wahlberg ist so ein Buch. Die stark konstruiert wirkende Geschichte wäre in 50 Seiten locker erzählt. Das Werk ist aber über 400 Seiten stark, weil jede der gefühlt 100 mitwirkenden Personen zu allem eine Meinung und ein Gefühl hat. Beispiel: Wenn die Polizisten mit Vollgas zum Mörder rasen, um ein weiteres Verbrechen zu verhindern, reflektieren sie unterwegs, dass bald wieder Advent und Weihnachten sein wird und sie von den stillen Sommertagen wenig gehabt haben werden, weil sie eben diesen Mörder jagen müssen. An anderer Stelle bricht eine seitenlange Diskussion zwischen den Ermittlungsbeamten los, ob das Reihenhaus, in dem die Ermordete lebte, wirklich ein Reihenhaus genannt werden kann. Was soll das?

Nicht nur nimmt die Autorin ihren Stoff nicht ernst, auch die handelnden Personen scheinen ihr Tun nicht besonders wichtig zu nehmen. Es ist fast so, als hätten alle eine Droge genommen und würden von der Realität nur wenig mitbekommen. Da gibt es eine Frau, deren Gesicht von einem Mann zertrümmert wurde und die das nur knapp überlebte. Nach ein paar Wochen Krankenhaus ist sie wieder fast die alte und springt erneut fröhlich in der Geschichte herum, nur von Komplexen belastet, dass sie sich immer die falschen Männer aussucht.

Ein anderes Ärgernis sind die ins letzte Detail gehenden Beschreibungen von allem und jedem. Es gibt ja eine Konvention im Krimi, dass im Text hervorgehobene Dinge eine bestimmte Bedeutung erhalten. Das wird hier total ad absurdum geführt, weil absolut alles beschrieben wird und danach in der Versenkung verschwindet. Ob es um Servietten geht, die farblich zur Tischdecke passen, oder um die Größe der Blumensträuße, alles, alles, alles muss beschrieben werden. Jemand trocknet sich die Hände mit einem Papierhandtuch – nein, mit einem rauhen Papierhandtuch. Wozu muss ich das wissen?

Wenn es dagegen interessant wird, bleibt die Autorin extrem vage. Eine Waffe muss besorgt werden. Was tut man? Man belauscht jugendliche Waffennarren, die erzählen, in Tallinn gäbe es jede Menge Waffen. Dann reist man dorthin, fragt sich durch und kauft einem freundlichen Kriminellen auf einem menschenleeren Marktplatz eine Pistole ab. Der Verkäufer, ganz Ehrenmann, erklärt dann noch deren Funktion. Zum Glück sprechen estnische Kriminelle fließend Englisch und vergreifen sich nie an hilflosen Touristen.

Der Roman soll in Schweden monatelang auf den Bestsellerlisten gestanden haben, erfährt man auf dem Rücktitel. Von Bild am Sonntag, der Frankfurter Rundschau und TV-Movie soll er in höchsten Tönen gelobt worden sein. Das kann gut sein. Es scheint eine Menge Menschen zu geben, die Krimis lesen, obwohl sie keine Krimis mögen. Leichen? Eklig. Polizeiarbeit? Langweilig. Psychologie? Na ja. Aber welche Person welche Süßigkeiten mag, das wollen wir doch wissen. Und vor allem: Welche Frau aus dem Ermittlungsteam hat ein Auge auf wen geworfen, wie verläuft eine Geburt in allen Einzelheiten und wer trägt welche Frisur zu welcher Jahreszeit? So erinnert das Buch letztendlich sehr an das Skript für eine dieser Vorabendserien, vor denen es mich gruselt.

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