Gedichte und Nudeln in der Kreuzberger Literaturwerkstatt.

Das Geschenk-Regal des Büchertischs. Einfach weil ich kein anderes Bild hatte.

So wie Nepomuk Ullmann habe ich mir in meiner Unschuld immer einen Kreuzberger Poeten vorgestellt. Damit meine ich jetzt nicht einen linksradikalen Barrikadendichter, sondern einen Poeten in der Tradition von Kurt Mühlenhaupt. Der kleine ältere Herr mit Bart und schwarzem Hut ist sehr ernst bei der Sache, er lässt sich vom Schalk in seinem Nacken nicht stören. Herr Ullmann moderiert die Kreuzberger Literaturwerkstatt, die einmal im Monat in der Räumen des Berliner Büchertisches stattfindet.

Schon dieser Ort ist etwas Besonderes. Der Berliner Büchertisch sammelt gut erhaltene Bücher, um sie an Schulen, Kindergärten, Gefängnisse und andere soziale Einrichtungen weiterzugeben oder um sie zu verkaufen. Von diesen Bücherspenden lebt das Projekt, das aus der Kreuzberger Alternativkultur nicht mehr wegzudenken ist und ungefähr vierzig Menschen ein Auskommen sichert. Gern darf der geneigte Leser diesen Absatz als Appell verstehen, die Macher des Büchertisches zu unterstützen.

Zurück zur Literaturwerkstatt. Das ist eine Art offene Lesebühne, die ganz und gar von der Persönlichkeit ihres Moderators lebt. Der hat für am 10.10.2012 das Duo Saltim’band mitgebracht, das zu Beginn des Abends französische Chansons zum Akkordeon zum Besten gab. Amandine Thiriet und ihre Begleiterin Barbara Klaus-Cosca ließen dem Publikum das Herz aufgehen, zum Beispiel mit diesem Chanson über Göttingen aus der Feder von Barbara.

Anschließend trugen die Poeten ihre Texte vor. Herr Ullmann selbst leitete mit eigenen Texten die Lesung ein. Das Publikum lauschte ihm wie auch den anderen sehr konzentriert. Überhaupt war ich von der Atmosphäre des Abends sehr angetan – wenig Show, viel Ernsthaftigkeit. Auch das hat wohl sehr viel mit Herrn Ullmann als Moderator zu tun, der wirklich moderierte und dem Abend eine Form gab. Er rief die Lesenden nacheinander auf und wählte die Reihenfolge, die ihm am sinnvollsten erschien. Wen er persönlich kannte, stellte er kurz vor, und man spürte, dass ihm „seine“ Dichter ganz persönlich sehr am Herzen liegen.

Weil ich nicht alle Lesenden vorstellen kann und möchte, greife ich als Beispiel Elvira Suhrmann heraus. Sie führt mit zwei anderen das Blog Kreuzbook.de und las einen Beitrag über einen Besuch bei einem Künstler in der Heide, der übrigens hier zu finden ist. Mir persönlich liegen ja Texte sehr, in denen jemand seine Entdeckungen und Begegnungen teilt, und Frau Suhrmanns Vortrag hat mich sofort fasziniert. Anschließend gab es Nudeln in der Pause. Auch das ist hier Tradition, zu jeder Lesung wird eine kostenlose Suppe gereicht, damit auch der Bauch Nahrung bekommt. Dass dieses Mal der Suppe das Wasser fehlte, erstaunte selbst Herrn Ullmann.

Zum Abschluss habe ich dann meine Geschichte vom Museum der Liebe gelesen und wurde freundlich mit Applaus bedacht. Jetzt hoffe ich, dass ich bald Gelegenheit habe, wieder in der Kreuzberger Literaturwerkstatt zu lesen.